NL_01_2021 Trainerausbildung 2020

Eigentlich wollte ich nur meinen Hund besser verstehen…

CreaCanis-Trainerausbildung 2020 – oder: Wie konzeptflexibel kann man sein?

Könnt Ihr Euch noch an Euer erstes Roots-Seminar erinnern? Ich werde jedes Mal daran erinnert, wenn ein neuer Creacanide auf Facebook davon schreibt, wie infiziert er ist und wie augenöffnend das Seminar war. Man meint dann ja immer, dieses Gefühl lässt sich nicht wiederholen, es gibt nur eine Chance auf den ersten Eindruck. Genau da möchte ich widersprechen: Die Steigerung von Creacanis Roots ist Creacanis-Trainerausbildung! Aber von Anfang an, denn eigentlich wollte ich ja nur meinen Hund besser verstehen…

Der kleine Schritt vom Seminarteilnehmer zum Traineranwärter

Mein Hund, das ist Gustl, den einige vielleicht auch schon unter seinem Pseudonym „König Gustl“ kennengelernt haben. Diesen Titel bekam er von Aliki sehr schnell auf unserem ersten Roots-Seminar. Die Welt drehte sich nur um ihn und meine Frau Tanja und ich (Oli) waren die Knuddelvasallen. Wir waren nur da, um ihm Genüge zu tun. Roots war damals eine Offenbarung und hat schon einiges verbessert, aber da ich immer gerne alles ganz genau wissen möchte, habe ich bei Gaby und Aliki nachgefragt, ob sie mich denn für geeignet hielten, auch die Trainerausbildung zu machen. Kurz danach stand der Entschluss fest und im Januar 2020 ging es los mit der ersten Theorieeinheit.

Die Reise beginnt

Doro, Doreen, Edith, Jeanette, Frank und ich waren fortan die Traineranwärter/-innen 2020: eine lustige und bunte Truppe. Und das gilt sowohl für die Zweibeiner als auch für die Vierbeiner! Neben dem einen oder anderen Hovi sind durch uns auch Riesenschnauzer und Parson Russell Terrier und damit erstmals auch die kleinen Hunderassen vertreten.

Außerdem stellte sich schnell heraus, dass das Wohlergehen der Gruppe beileibe nicht nur Gaby am Herzen lag. Neben den fachlichen Themen wurde stets eifrig die Verpflegungssituation während der Ausbildung diskutiert und organisiert. Das endete in manch kalorienreicher Kuchenspende, gerne auch in Form einer speziellen CC-Torte, und einem Grillabend bei Busse Engineering, ganz zu schweigen von den Österreichischen Spezialitäten, die uns Antjes Mann während der Praxisteile zubereitete, sowie die unvergesslichen Gin- und Weinverkostungen, organisiert durch Doreen und ihren Ehemann.

Die Module gingen immer schneller vorbei, als wir dachten. Wohl auch, weil wir mit soviel Stoff versorgt wurden, dass es nie langweilig wurde. Sophie Strodbeck referierte schon fast auf Hochschulniveau über die medizinischen Belange, das Stresssystem, Kastration und wie diese Aspekte auf das Verhalten des Hundes Einfluss nehmen. Lerntheorien, Rechtsfragen, Geschichte der Hundeerziehung: Wir wurden – fast hätte ich gesagt – konditioniert, dabei passt der Begriff emotionales Lernen viel besser! Auch die noch so trockenen Themen wurden so aufbereitet und detailliert vorgetragen, dass der ganze Stress in der Freude und dem Spaß am Thema Hund unterging.

Und dann kam Corona…

Wir hatten das emotionale Lernen schon am eigenen Leib erfahren, aber jetzt ging es darum, die bei Creacanis eigentlich nur für das Hundetraining vorbehaltene Konzeptflexibilität auch auf die Ausbildung zu übertragen. Und die Ausbilderinnen haben sie gelebt, die Konzeptflexibilität! Es wurde „geBlueJeanst“ und getextet und für jeden der in den Lockdown gefallenen Termine ein Ersatz gefunden.

Besser spät als nie: Das Praxistraining beginnt

Schließlich fanden wir uns etwas später als geplant in Saalfelden auf dem Hundeplatz ein und begannen mit der Praxis – back to Roots quasi. Antje hatte zu Beginn etwas für uns, mit dem wir so nicht gerechnet hatten, was sich letztendlich aber als gut durchdachter Teil eines Masterplans herausstellte: Freiraum.

„Mach mal, wie Du denkst und ich schau mir das an!“ Und dann wurde alles mittels Videoanalyse seziert. So ganz nebenbei erlernten wir einen ganzen Blumenstrauß an Grundübungen, die in Summe die Essenz von Roots ausmachen. Aber Übungen sind das eine, die Realität das andere. Und in der Realität, wenn Freiraum da war und nichts vorgegeben, da zeigt sich der Knackpunkt bei jedem Einzelnen. Jeder von uns hat sein Thema. Egal, ob es ein König ist, der immer mal wieder Rückfälle in die Zeiten seiner Herrschaft bekommt oder die Gewohnheit der Unterordnung, die den Freiraum manchmal zu einem Gefühl des Verlorenseins werden lässt. Oder das Hundi hat einfach keine Lust…

Mit chirurgischer Präzision hat Antje bei jedem von uns das Hauptlernthema aufgedeckt und konsequent bearbeitet. Gleichzeitig – und gerade daran haben wir gelernt, dass echte Bindung weit mehr ist als Übungen auszuführen – hat jeder neben den Roots-Elementen seine eigenen Blockaden gelöst.

Konzeptflexibilität in allen Bereichen – sogar bei der Prüfung!
Das hat sich letztlich auch in der Prüfung gezeigt. Und so eine Roots-Prüfung ist schon in der Vorbereitung etwas Besonderes. Es gibt zwar Prüfungsübungen, die man absolvieren muss, aber bewertet wird nicht nur (vielleicht auch gar nicht), ob die Übung geklappt hat, sondern wie die Bindung im Team war, wie das Zusammenspiel war, wie man als Teamführer reagiert, wenn etwas nicht klappt oder der Teampartner mal wieder seinen eigenen Kopf hat. Handlungskompetenz ist gefragt. Und mal wieder Konzeptflexibilität.

Die war übrigens dank Corona auch bei der Organisation der Prüfung von Nöten. Ein Vorbereitungslehrgang war nicht möglich, die Wochenenden knapp und der verbleibende Stoff drängte. Also wurde in einer spontanen Telefonkonferenz ein prüfungsintegriertes Praxismodul mit vorangehendem Trainingstag entwickelt. Und alle Teilnehmenden haben bestanden! Gustl und ich müssen nachholen, weil just vor der Prüfung sein Gesundheitszustand eine Teilnahme nicht möglich machte. Aber Ihr wisst ja… flexibel usw.

PraxisPrüfung der TA 2020 in Saalfelden

Nach bestandener praktischer Prüfung und überstandener Prüfungsfeier ging es im letzten Modul um die Didaktik, um das Lehren der Inhalte. Hier profitierten wir von dem fast füllhorngleichen Übungsfundus unserer Antje. Manchmal haben wir zwar nicht gleich verstanden, wozu die Übung dient – das lag dann aber daran, dass wir das große Ziel im Auge hatten und Antje uns gerade im Superlativ der Kleinschrittigkeit erklärte, wie man die Vorbereitung zur Einleitung der ersten Vorübung macht. Auch das war ein Aha-Effekt.

Den größten Aha-Effekt verschaffte aber, dass jeder von uns am Ende der Ausbildung einen ganz anderen Blick auf seinen Hund hatte. Wir hatten uns verändert und das Team mit dem Vierbeiner an unserer Seite hatte sich verändert. Ich staune immer wieder, wozu unsere pelzigen Lebensgefährten fähig sind und wie tief das Vertrauen zu ihren Teamführern sein kann – wenn aus Beziehung Bindung wird.

Aber wie gesagt, eigentlich wollte ich nur meinen Hund besser verstehen

Oliver Lang